Breve Jubilari feliciter (1980)

BREVE „JUBILARI FELICITER“

des Hl. Vaters Johannes Paul II. vom Pfingstfeste 
am 25. Mai 1980 an Joseph Cardinal Höffner, Erzbischof von Köln


Unserem Ehrwürdigen Bruder Joseph,
der Heiligen Römischen Kirche Cardinal Höffner, Erzbischof von Köln

Während das Jubiläumsjahr der ehrwürdigen Kölner Kathedrale seinen glücklichen Fortgang nimmt, wird die Erzdiözese den Teilnehmern des VII. Internationalen Kongresses für Musica Sacra gastliche Aufnahme gewähren. Dieses Ereignis wird ohne Zweifel dem musikalischen Schatz der Kirche neue Fortschritte und Reichtümer zuführen. Die Leistung, die die Leiter des Consociatio Internationalis Musicae Sacrae in den vergangenen Jahren für eben diese heilige Kunst vollbracht haben, wird auf diesem Kongress in der Tat eine kraftvolle Bestätigung finden. So soll diese unsere Botschaft nach unserem Willen ein Erweis der Dankbarkeit für die in dieser Hinsicht aufgewandte Mühe sein, und zugleich ein Ansporn dazu, sie ebenso in Zukunft einzusetzen.

Das II. Vatikanische Konzil hat in einer eigenen Konstitution „Sacrosanctum Concilium“ mit Nachdruck das Dienstamt hervorgehoben, das der Musica Sacra zugewiesen wird (vgl. II. Vat. Konzil, „Sacrosanctum Concilium“ n. 112). Denn die Worte, die in der liturgischen Feier so viel Bedeutung aufweisen, werden durch den Gesang darin noch mehr gesteigert und erhalten so ein besonderes Maß an Feierlichkeit, Schönheit und Würde, die der teilnehmenden Gemeinde es ermöglichen, sich der Heiligkeit des in der Liturgie wirkenden Mysteriums näher zu fühlen.

Gerade aus diesem Grund erachtete es das Konzil als durchaus angebracht, alle daran zu erinnern, dass sich ein ungeheuer reicher Schatz musikalischer Überlieferung bei den verschiedenen liturgischen Gemeinschaften in Ost und West befindet, und dass er, der im Laufe von Jahrhunderten erworben wurde, immer noch genutzt wird als ein Spiegel der Kunst und der menschlichen Kultur der verschiedenen Völker. Ferner schärft das Konzil gleichzeitig allen ein, wieviel Kraft und Mühe aufgewandt werden sollen, damit der Kirche diese Schätze erhalten bleiben; diese Pflicht obliege namentlich den Hütern dieser Schätze und den Ausübenden der Musica sacra (ebda. n. 114).

Eine besondere Erwähnung aber nimmt der „cantus gregorianus“ für sich in Anspruch, der entsprechend seiner großen Bedeutung sowohl durch den täglichen Gebrauch der Kirche als auch durch ihr Lehramt als der der römischen Liturgie eigene Gesang, der mit engen Banden mit der lateinischen Sprache verknüpft ist. (ebda. n. 116-117), anerkannt wird. In gleicher Weise allerdings findet der polyphone Gesang Anerkennung als ein hervorragendes Instrument heiliger und liturgischer Aussage.

Die Begeisterung für diese Aufgabe, die zu bestimmten Zeitpunkten Kongresse für Musica Sacra berufen und abhalten lässt, kann sehr wirksam dazu beitragen, die inneren Werte der oben erwähnten musikalischen Überlieferung aufzudecken und ihre Rolle im Einzelnen näher zu bestimmen, damit sie in würdiger Weise und mit Genauigkeit in der Liturgie der Kirche lebendig erhalten bleibe.

Jedoch das Konzil empfiehlt nicht nur die Werte der jahrhundertealten musikalischen Tradition, die immer noch ihre Gültigkeit hat. Es ist sich nämlich eben dieser Notwendigkeit bewusst, die der Kirche immer oblag, in der menschlichen Kultur und Kunst der Völker, die zum Glauben an Jesus Christus gelangen, Angemessenes zu entdecken und sich gleichsam einzuverleiben, und rät deshalb, dass zu ihren Gunsten schrittweise „der Schatz der Musica Sacra mit größter Sorge bewahrt und gefördert werde“ (ebda. n. 114).

Da haben die Teilnehmer des Kongresses in der Tat ein sehr weites Feld für ihre Forschungen und Studien. Vordringlich ist es freilich gegenwärtig notwendig, das musikalische Erbgut der Kirche zu entfalten und zu mehren, nicht nur in den neuen und jungen Kirchen, sondern auch unter denen, die schon seit mehreren Jahrhunderten den gregorianischen und polyphonen Gesang in lateinischer Sprache kannten, sich jetzt aber, nachdem die Volkssprachen in Gebrauch gekommen sind, sich auch vor die Forderung nach anderen geeigneten Formen des musikalischen Ausdrucks in der Liturgie gestellt sehen.

So oft aber solche neuen Gestaltungen zur Beurteilung stehen, soll mit unparteiischer Überlegung den Elementen Rechnung getragen werden, die dem überlieferten Brauchtum und der Natur selbst der verschiedenen Völker eigentümlich sind. Darüber hat das Konzil folgendes gelehrt: „Da die Völker mancher Länder, besonders in der Mission, eine eigene Musiküberlieferung besitzen, die in ihrem religiösen und sozialen Leben große Bedeutung hat, soll dieser Musik gebührende Wertschätzung entgegengebracht und angemessener Raum gewährt werden; und zwar sowohl bei der Formung des religiösen Sinnes dieser Völker als auch bei der Anpassung der Liturgie an ihre Eigenart“ (ebda. n. 119). Denn jede menschliche Kultur hat durchaus edle Ausdrucksformen auch in musikalischen Weisen finden können; es ist daher anzustreben, dass sowohl im Bereich der Lehrfächer als auch auf dem Gebiet der Seelsorge feste Grundsätze vorangestellt werden, die obendrein den wahren Werten in den vielfältigen musikalischen Überlieferungen entsprechen.

Doch wenn ein derartiges Bemühen wirklich auf wissenschaftliche Weise erfolgen soll, so muss es geziemender Weise auch die vergleichende Erforschung der neuen sowohl wie der alten Ausdrucksformen umfassen. Allerdings kann und muss die neue Musica Sacra, sofern sie der liturgischen Feier dienen soll, aus den früheren Formen und besonders aus dem Gregorianischen Gesang erhöhte Anregung das ihm eigentümlich Sakrale und den echten Sinn für das Religiöse schöpfen. Mit vollem Recht hat man gesagt, der Gregorianische Gesang sei mit den anderen Gesangsformen zu vergleichen wie ein Standbild mit einem Gemälde.

Indem Wir daher schließlich den Wunsch ausdrücken, die Bemühungen des VII. Kongresses für Musica Sacra, dessen ganze Arbeit auf Mittel- und Ostafrika ausgerichtet ist, möchten für die verschiedenen kirchlichen Gemeinschaften nicht nur innerhalb der Nationen alter christlicher Tradition, sondern auch in denen, wo erst in neuerer Zeit das Evangelium verbreitet ist, zu Quellen der Anregung und zum Ansporn zu einer reichhaltigen und hervorragenden musikalischen Betätigung werden, übersenden wir mit Freude Dir, Ehrwürdiger Bruder, und ebenso den Leitern und Teilnehmern des Kongresses den besonderen Apostolischen Segen als Zeichen Unserer unveränderlichen Liebe und als Unterpfand himmlischer Gaben.

Aus dem Vatikan, am 25. Mai, am Pfingstfest im Jahre 1980, dem zweiten Unseres Pontifikates.

gez. Johannes Paulus PP. II